Meine Gedanken zur momentanen Zeitqualität: November 2021

Viele Menschen fühlen sich zur Zeit gelähmt, ohnmächtig. Egal, was sie sagen, es wird nicht gehört. Es ist so, als hätten sie gar nichts gesagt. Sie sind in dichtem Nebel gefangen und scheinbar handlungsunfähig. - Solche Zeiten gibt es!

Um eine Antwort auf diese Situation zu finden, möchte ich ein paar Worte zum "Frau Holle"-Märchen sagen. Ich werde nicht das ganze Märchen deuten, sondern mache mir nur zu einem Teil daraus ein paar Gedanken. Lesen Sie gerne vorher oder nachher das ganze Märchen.

Märchen: Es geht um eine Mutter, die zwei Töchter hat, eine schön und fleißig, die andere häßlich und faul. Sie habern im Märchen keine Namen. Es heißt einfach "Die Fleißige" und "Die Faule". Die Fleißige muss den ganzen Tag arbeiten, bzw. mit einer Spindel spinnen. Ihre Finger werden blutig, sie wäscht die Spindel im Brunnenwasser. Dabei fällt ihr die Spindel in den Brunnen. Die Mutter ist unbarmherzig und fordert sie auf, die Spindel wieder zu holen.

 

...Da ging das Mädchen zum Brunnen zurück und wusste nicht, was es anfangen sollte, und in seiner Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen. Es verlor die Besinnung, und als es erwachte und wieder zu sich selber kam, war es auf einer schönen Wiese, wo die Sonne schien und viel tausend Blumen standen. Auf dieser Wiese ging es fort und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief: "Ach, zieh mich `raus, zieh mich `raus, sonst verbrenn`ich, ich bin schon längst ausgebacken." Da trat es herzu und holte mit dem Brotschieber alles nacheinander heraus. Danach ging es weiter und kam zu einem Baum, der hing voller Äpfel und rief ihm zu: "Ach schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif." Da schüttelte es den Baum, dass die Äpfel fielen, als regneten sie, und schüttelte, bis keiner mehr oben war; und als es allein einen Haufen zusammengelegt hatte, ging es weiter. Endlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil sie aber so große Zähne hatte, ward ihm angst, und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach: "Was fürchtest du dich, liebes Kind? Bleib bei mir, wenn du alle Arbeit tun willst, so soll dir`s gut gehn. Du musst nur acht geben, dass du mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, dass die Federn fliegen. Dann schneit es in der Welt; ich bin die Frau Holle." Weil die Alte so gut zusprach, willigte es ein und gab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit und schüttelte ihr das Bett immer gewaltig auf, dass die Federn wie Schneeflocken umherflogen; dafür hatte es auch ein gutes Leben bei ihr, kein böses Wort und alle Tage Gesottenes und Gebratenes. Nun war es eine Zeitlang bei Frau Holle, da ward es traurig und wusste anfangs selbst nicht, was ihm fehlte, endlich merkte es, dass es Heimweh war; obwohl es ihm hier vieltausendmal besser ging als zu Haus. Endlich sagte es zu ihr: " Ich habe den Jammer nach Hause gekriegt, und wenn es mir auch noch so gut hier unten geht, so kann ich doch nicht länger bleiben, ich muss wieder hinauf zu den Meinigen." Die Frau Holle sagte: "Es gefällt mir, dass du wieder nach Hause verlangst, und weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinauf bringen." Sie nahm es darauf bei der Hand und führte es vor ein großes Tor. Das Tor ward aufgetan, und wie das Mädchen gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb an ihm hängen, so dass es über und über davon bedeckt war. "Das sollst du haben, weil du so fleißig gewesen bist", sprach die Frau Holle und gab ihm auch die Spule wieder, die ihm in den Brunnen gefallen war. Darauf ward das Tor verschlossen, und das Mädchen befand sich oben auf der Welt, nicht weit von seiner Mutter Haus. Und als es in den Hof kam, saß der Hahn auf dem Brunnen und rief: "Kikeriki, unsere goldene Jungfrau ist wieder hie." ...

Die Mutter schickt dann auch ihre andere Tochter, die Faule hinunter zu Frau Holle, denn sie möchte, dass auch diese Tochter mit Gold überschüttet wieder zurückkommt. Aber das wird nicht passieren. Sie wird mit Pech überschüttet.

 

Es gibt Zeiten da steckt man in einer ohnmächtigen Situation. Das einzige, was möglich ist, ist sich dagegen aufzulehen oder zu jammern. Nur leider bringt das gar nichts! Man ist nun ein Opfer, man fühlt sich als Opfer. Man tut sich selber leid. Jetzt kann man nur hoffen, dass diese Zeit endlich vorbei geht.

Im "Frau Holle" - Märchen finden wir aber eine Alternative. Wie in unserem echten Leben gibt es für die Mädchen, die Fleißige und die Faule, die da plötzlich in einer fremden Situation sind, Aufgaben, die einfach erledigt werden wollen. Die Zeit dafür ist reif. Sie müssen die Aufgaben nicht suchen, diese machen sich lautstark bemerkbar.  Die Brote rufen "Zieh mich raus, wir sind ausgebacken!", die Äpfel rufen "Schüttel mich, wir sind alle reif", und schlussendlich bittet Frau Holle die Mädchen in ihren Dienst. "Schüttel fleißig mein Bett auf, damit es auf der Erde schneit."

Auch im echten Leben sind Aufgaben, scheinbar plötzlich, direkt vor unseren Füßen, bzw. Augen und machen sich bemerkbar. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Man steht verwundert da und fragt sich wie die Faule im Märchen: "Warum ich? Ich hab doch die Brote gar nicht in den Ofen gesteckt. Es sind auch nicht meine Äpfel. Ich hab den Baum nicht gepflanzt und ich brauche gerade auch keine Äpfel. Und warum sollte ich das Bett bzw. die Bettdecke von Frau Holle schütteln. Die hat selber zwei Arme. Ich will das alles nicht!" Und so ähnlich könnte die Faule gedacht haben. Sie hat keine Lust was zu tun. Sie will einfach so die Belohnung.

Aber die Fleißige nimmt ohne zu murren die Aufgaben an. Sie weiß, dass es die richtige Zeit für die Brote ist, aus dem Ofen geholt zu werden, dass die Äpfel reif sind, um gepflückt zu werden, sonst verfaulen sie. Und sie schüttelt die Betten von Frau Holle, weil diese offensichtlich eine Frau ist, die weiß was zu tun ist und ihr wohlgesonnen ist. Und wie wir im Märchen sehen hat die Fleißige gar kein Problem mit diesen Aufgaben. Sie macht einfach! Beim Ofen steht z.B. ein Brotschieber, den sie benutzen kann. Sie weiß, was sie mit den Äpfeln machen muss. Sie hat die Fähigkeiten für die Dinge, die zu tun sind. Es ist alles da, was sie benötigt um die anstehenden Aufgaben zu erfüllen. Und sie begibt sich dann in die Obhut einer weisen Frau. Diese hat große Zähne. Zähne sind ein Symbol für Kraft. Die Fleißige ist kein Opfer, sie ist eine Täterin. Und als dann die Zeit dafür reif ist, wieder in das normale Leben zu gehen (die Zeitqualität hat sich verändert), führt Frau Holle sie durch ein Tor in ihre gewohnte Welt und Gold wird auf das Mädchen geschüttet. Es wird belohnt. Es hat alles richtig gemacht. Die Fleißige erntet nun sichtbar Anerkennung. Der Hahn kräht es laut in die Gegend.

Wie wäre es, wenn wir uns ein Beispiel an dem fleißigen Mädchen nähmen und die Dinge einfach tun, die in diesen Zeiten auf uns zukommen, ohne zu jammern und zu murren und sie als zu uns gehörig sehen. Das gibt Kraft und Befriedigung. Jammern und murren verbraucht nur eine Menge Energie, bringt aber ganz sicher keine Belohnung oder Anerkennung. Werden wir wieder TäterInnen!